johannes dullin
Das Problem beim Label « Humor » ist, das sich – zumindest an der Oberfläche – um viele Bühnenformen davon unangenehme Klischees ranken. Hört man Comedy, denkt man schnell an selbstverliebte Gewinnertypen mit vorhersehbaren Punchlines, bei Kabarett an neunmalkluge «Die-da-oben»-Klagen für ein entzückt klatschendes, lehrpersonallastiges Publikum, und spätestens beim Wort Clown ergreifen dann eh die Meisten die Flucht. Sehr schade, denn es gibt sie: die richtig guten, progressivem Clowns unserer Zeit. Johannes Dullin ist einer davon. Wenn nicht sogar DER Ansprechpartner, denn was er live auf der Bühne zeigt, ist in der Schweiz ziemlich unvergleichlich. Seine Comedy ist absurd, albern und überhaupt nicht vorhersehbar. Rauschhaft feiert er den Unsinn und potenziert das Absurde bis ins Unermessliche. Das Publikum lacht und weiss oft gar nicht warum, doch auch die grössten Albernheiten bekommen so eine sonderbar existentielle Kraft. Banales und Tiefes wird wild übereinandergestapelt, bis es irgendwann nahezu psychedelisch wird. Oder anders gesagt: In einer wahnsinnigen, brutalen Welt, in der Wettbewerb und Machtgier völlig bizarre Formen angenommen haben, muss man dem allem in der Kunst auch wahnsinnigen, absurden Nonsense als anarchistischen Gegenspieler entgegensetzen. Das wussten schon die Dadaisten.
knarf rellöm arkestra
Endlich wieder einmal Hamburg in the house, und erst noch mit dem nimmermüden funky Pionier und Zitat-Pop-Veteran aus dem Inneren Zirkel des Goldenen-Pudel-Triebwerks: Knarf Rellöm (Frank Möller), zuletzt mit dem Helsinki-Gastrecht-Paket in der Palasthütte, schafft diesmal mit seinem Arkestra die ureigene «Message Dancehall» (Martin Büsser). Northern Soul, Funk, Dub, House und Krautrock, hat Rellöm auch auf seinem jüngsten Album Kritik der Leistungsgesellschaft alles drauf, wie die «taz» schreibt. Er inszeniere sich neuerdings als «sexy Linksfuturist im Sinne Sun Ras» und bilde eine «zwingende, aber tiefenentspannte Tanzgemeinschaft, die wiederum Slogan-Material für die nächste Gegendemo bietet: keine Diskussion, Perkussion - Soul-Punk!», jubelt «Der Spiegel». Zur Einstimmung sei schon mal ein Stubentanz zu Arkestra-Songs wie «Say it loud, du hast Scheiss gebaut» oder zu «Die Mieten sind zu hoch» empfohlen. Da geraten die Verhältnisse automatisch ins Tanzen!
lily gasc
Zwischen Retro-Codes und aktuellen Codes beschreibt Lily Gasc sanft und pragmatisch die Tücken des Lebens. Eine zarte Intelligenz, die frischen Wind bringt.
angry blackmen
Alles ist kaputt und die Überlebenden machen Welle. Seit knapp acht Jahren klopft das Industrial- und Noise-Rap-Duo Angry Blackmen aus Chicago mit Wucht auf die verbrannte Erde ihrer Vergangenheit und locken die inneren Dämonen hervor. Von den bösen Geistern berichten sie mit entwaffnender Ehrlichkeit, bevor diese dann – beispielsweise die Alkoholsucht – mit gerapptem Furor festgenagelt werden. Aber es gilt vor allem auch die äusseren Feinde zu bekämpfen, von denen es für marginalisierte Gruppen in den USA in Überfluss gibt – gewaltätige Cops, korrumpierte Wirtschaft, lotteriges Gesundheitssystem, galoppierender Kapitalismus. Quentin Branch und Brian Warren zielen mit ihren apokalyptischen und bleischweren Beats auf den Kopf des Monsters called Rassismus und schlagen mit unermüdlichem, immer leicht verschlepptem Flow in die nachwachsenden Fratzen.
Maria bertel
Der akustische Klang ihrer verstärkten Posanue erzeugt einen Output, der sich von Drone- und Noise-Musik inspirieren lässt. Was normalerweise nicht hörbar ist, zeigt sich, Bewegungen, Metall und Atem werden zu einem wirbelnden Teil ihrer Kompositionen. Es entstehen wechselnde organische Muster, winzige Klänge werden brutal deutlich, ebenso wie die Bandbreite der Obertöne des Instruments.
babii
Einem beatigen Kitsch ist BABii nicht abgetan: Da sind viele Sparkles und supersweete Vocals, aber auch ziemlich heftige Beats und Bässe. Das ist Cyborg-Electronica mit Hyperpop-Momenten. Auf dem Album Daredeville 2000 featuret sie neben vielen anderen die sehr geschätzten Grove oder Mung Sing (einer Hälfte von Giant Swan). Entstanden ist eine Reise in eine Art Dantes Inferno, das die Ursprünge von Gewalt und Kriminalität sowie die Beziehung zwischen der Hölle und der realen Welt erforscht.
crystallmess (dj-set)
Die Produzentin und Künstlerin Crystalmess spielt auf der grossen Klaviatur der Tanzmusik. So ist sie nicht nur in so ziemlich allen interessanten DJ-Booths der aktuellen Clubs und angesagten Festivals anzutreffen. Christelle Oyiri ist auch Videokünstlerin, Journalistin, Performerin und Autorin. Bei sämtlicher Arbeit hat sie eines im Kern: die Popularisierung von Afrofuturismus und Afrofeminismus. Zwischen Hardcore Trap, Footwork und Afrotrance mixt die Pariserin alles, was Spass macht und Style hat.